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erinnern ist ein verb:

Seitdem 2019 die Mitgliedschaft Werner Haftmanns in der NSDAP aufgedeckt wurde, wird das Verhältnis der documenta Gründungsfiguren zur nationalsozialistischen Kulturpolitik und Naziverbrechen diskutiert. Die Aufarbeitung konzentriert sich dabei aus kunst- und zeithistorischer Perspektive primär auf die Biografien einzelner Personen und deren Handlungen vor 1945 sowie in der Nachkriegszeit, wobei die Kontinuitäten nationalistischer Narrative und Netzwerke vom 19. Jahrhundert bis heute nur wenig Beachtung finden. Im Rahmen des Rundgangs wollen wir mit alternativen Formen des Umgangs mit Geschichte experimentieren, die jenseits der (Weg)Historisierung, Heroisierung und Fetischisierung von Opfern oder Tätern_ als Märtyrer_ oder einzigartig böse Andere das Erinnern als eine Praxis der Gegenwartsbewältigung in den Mittepunkt rückt, die sich kritisch mit dem Fortleben von nationalistischen, rassistischen, antisemitischen, patriarchalen Machtverhältnissen in Kunst- und Kultur, Ausstellungs- und Ausbildungsinstitutionen auseinandersetzt. Auf Basis künstlerischer und wissenschaftlicher Forschungen zu epistemologischen, ökonomischen, diskursiven, ästhetischen und sozialen Dis_kontinuitäten entwickeln wir verschiedene kuratorische Formate einer Praxis des performativen Verschiebens von normalisierten, institutionalisierten und inkorporierten Infrastrukturen der Gewalt.

Anlässlich des Jahrestages des sogenannten „Tag der deutschen Kunst,“ mit dem am Mo 19. Juli 1937 die Nazis die „Große dt. Kunstausstellung“ und „Ausstellung Entartete Kunst“ eröffneten, werden wir am Mo 19. Juli 2021 eine mobile Ausstellung in Form eines Stadtrundgangs unternehmen. Um das Verhältnis zwischen der Kunststadt München und der documenta Stadt Kassel zu thematisieren, wo die documenta als Akteurin der Rehabilitierung der als „entartet“ verfemten Moderne rezipiert wurde, greifen wir das Format der von den Nazis inszenierten Festumzüge auf. In diesem Akt der kritischen Aneignung spiegelt sich unsere Auseinandersetzung mit der Appropriation und politischen Resignifikation von ästhetischen, epistemologischen, architektonischen Infrastrukturen, der als roter Faden diese d_monstration auch mit den dis_cussions und dis_plays in unseren temporären Arbeits- und Ausstellungsräumen verknüpft.

Am 19. Juli vervollständigen ortspezifische Readings, Talks und Performances das Programm, das einen Forschungsprozess abbildet, der in Nanne Buurmans Seminar „d is for dis_continuity? Künstlerische, wissenschaftliche und kuratorische Forschung zu NS-Kontinuitäten bei der documenta“ seinen Ausgangspunkt nahm. Die Interventionen spannen einen Bogen von der repräsentationskritischen Beschäftigung mit politischen Ikonografien des Erinnerns über institutionskritische Auseinandersetzungen mit der unterschiedlichen Situiertheit der Erinnernden, ihren Subjektpositionen, Interessen, Kompliz:innenenschaften und Privilegien, zur Bearbeitung infrastruktureller Bedingtheiten von Subjektivierungsprozessen und Handlungsmacht. Unser Anliegen ist es, die politischen Potentiale auszuloten, durch die künstlerische, wissenschaftliche und kuratorische Forschung dazu beitragen kann, hegemoniale Verhältnisse nicht nur zu verstehen, sondern auch zu verändern.

dis_cussions:

15.-25.07.2021, Kunsthochschule Kassel, Nordbau, Menzelstaße und Zoom.

Kollektiv Slomotion (Samuel Ferstl, Caroline Angulo Hammes, u.a.) Symposium "Hegemonic Structures" mit Luce de Lire/Comrade Josephine, Nanne Buurman, Agape Harmani, BornInFlamez 16.07.2021, 19h Brüderkirche und auf Zoom.

Samuel Ferstl und Mirl Redmann im Streitgespräch über faschistische Ästhetik, 22.07.2021, 14h, Brüderkirche und auf Zoom: slowmotionkollektiv@gmail.com

dis_plays:

„Raster der Erinnerung“ in der Ausstellung Auflauf der Klasse Büttner in der Alten Brüderkirche (Brüderstraße 3/Renthof), 20.-24.07.2021, täglich 12-19h. Mit Beiträgen von Nanne Buurman, Samuel Ferstl, Max Graf & Max Wolter, Denis Lebedev, Qianmei Ni, Raffael Tobias Streicher, Jia You.

Online-Ausstellung "Fascist Aesthetics" von Samuel Ferstl: https://newart.city/show/contemporary

Ausstellung "Da, wo sich die Nilgänse treffen" (Denis Lebedev, Julia Majewski, u.a.) in der Galerie Freitag, Müllergasse 2, 15.-25.07.2021, ganztägig.

Ausstellung "Intermediate Response" Klasse Schmidt (Maximilian Graf, Maximilan Wolters, u.a.), Menzelstraße 13-15, Südbau, 15.-25.07. 2021, 16-18h, nach vorheriger Anmeldung von Gruppen bis zu 4 Personen: klasseschmidtkhs@gmail.com

Musikprogramm von David von der Stein alias Don Sommer im Rahmen von "Radio-Rascla" Community and non-prodit radio station, Kassel, 18. Juli 14-15h: https://radio-rasclat.com/schedule

d_monstration:

Prozessuale Ausstellung im öffentlicher Raum, 19.07.2021.

Mit Beiträgen von Nanne Buurman, Samuel Ferstl, Max Graf, Carolin Angulo Hammes, Malin Kuhnt, Denis Lebedev, Julia Majewski, Qianmei Ni, Andrea Pócsik, Julius Redzinski, David von der Stein, Raffael Tobias Streicher, Max Wolter, Jia You.

Konzeption & Organisation:

Nanne Buurman mit Studierenden ihres Seminars „d is for dis/continuity? Künstlerische, wissenschaftliche und kuratorische Forschung zu NS-Kontinuitäten bei der documenta“.

In Kooperation mit der dis_continuities-Forschungsgruppe.

Kontakt: dis_continuities@documenta-studien.de