Projekte
Ein Pionier wie wir? Harald Szeemann und die Konstruktion kuratorischer Autorschaft
Exkursion zur Ausstellung Harald Szeemann. Museum of Obsessions in der Kunsthalle Düsseldorf am 16. November 2018.
Harald Szeemann gilt weithin als „Erfinder kuratorischer Autorschaft“ und als Prototyp des freien Kurators. Im Alter von 28 Jahren wurde er Direktor der Kunsthalle Bern, wo er inzwischen legendäre Ausstellungen, wie Live in Your Head. When Attitudes become Form (1969) kuratierte. Nach seiner Entlassung aufgrund der von dieser Ausstellung ausgelösten Skandale gründete er die Agentur für geistige Gastarbeit, um seine Projekte unabhängig von einer institutionellen Anstellung realisieren zu können. Durch die für seine Zeit unkonventionelle Arbeitsweise empfahl er sich für den Posten als Generalsekretär (künstlerischer Leiter) der documenta 5 (1972). Im Anschluss an die documenta in Kassel realisierte er in seiner Privatwohnung in Bern die Ausstellung Großvater, ein Pionier wie wir (1974), welche das Leben und Wirken seines Großvaters, eines Friseurmeisters, posthum in Szene setzte. Eine Rekonstruktion dieser Ausstellung wird zusammen mit einer vom Getty Institute organisierten Überblicksausstellung zum Leben und Wirken des 2005 verstorbenen Kurators im Herbst in der Kunsthalle Düsseldorf zu sehen sein.
Während unserer Exkursion werden wir u.a. den biografischen Zugang der beiden Ausstellungen besprechen, wobei Strategien der Personalisierung und Heroisierung ebenso wie die Rolle von Geschlecht bei Konstruktion von (kuratorischer) Autor*innenschaft zu Sprache kommen können. Weiterhin werden wir uns dem Problem der Reinszenierung historischer Ausstellungen widmen und den Beitrag dieser aktuell zunehmend populären Praxis zur Konsolidierung eines ausstellungshistorischen Kanons reflektieren. Ziel ist es u.a. gemeinsam zu diskutieren, inwiefern Szeemann nach wie vor als Pionier für „unsere“ zeitgenössische kuratorische Praxis gelten kann, wann der Rückgriff auf Vorbilder eine Reproduktion und Verfestigung herrschender Konventionen, Epistemologien und Machtverhältnisse beinhaltet und wie es um das Potenzial einer kritischen Aktualisierung tradierter Praktiken unter veränderten historischen Vorzeichen bestellt ist. Es ist angedacht, diese Fragestellungen in einem Projektseminar im Sommersemester 2019 mit den Mitteln der wissenschaftlichen, künstlerischen und kuratorischen Forschung weiter zu verfolgen.
Leitung: Nanne Buurman (Wissenschaftliche Mitarbeiterin für documenta- und Ausstellungsstudien im Fachbereich Kunstwissenschaft an der Kunsthochschule Kassel)